Jeder Outdoorbegeisterte kennt die Situation, dass man sich für den nächsten Tag eine größere Unternehmung vorgenommen hat und nach dem Aufstehen schaut man aus dem Fenster und stellt resigniert fest: es regnet!
Für die meisten haben sich die Pläne damit erledigt und es wird umdisponiert. Ich hingegen habe in den letzten Jahren gelernt, dass auch das Wandern bei schlechtem Wetter für mich seinen Reiz hat.
Da unser Hund sich mit der Zeit daran gewöhnt hat jeden Tag seine anderthalb Stunden Auslauf im Wald zu bekommen, war ich ab einem gewissen Punkt gezwungen dieses Programm auch an Regentagen durchzuziehen. Dabei habe ich die Vorteile des Schlechtwetterwanderns kennengelernt die ich jetzt auch euch nahe legen will.
Man ist an solchen Tagen ganz für sich allein. Bei schönem Wetter trifft man in einer durch Wald geprägten Region wie dem Erzgebirge immer irgendeinen Outdoorsportler, Hundebesitzer oder privaten Holzfäller. Egal wie abgelegen und einsam der gewählte Weg auch ist, irgendjemand hat sich den Landstrich ebenfalls für seine Aktivität auserkoren. Bei Regen ist das nicht der Fall, sondern man bewegt sich in absoluter Ruhe und Ungestörtheit. Man hat nur sich und seine Gedanken. Und das ist in der heutigen stressigen Zeit mit all den Ablenkungen des modernen Lebens zur Seltenheit geworden. Selbst das liebgewonnene Smartphone mit all seinen Vorzügen lässt man bei Regen in der Tasche, was in Zeiten von ständiger Erreichbarkeit auch mal eine schöne Abwechslung darstellt.
Außerdem herrscht bei Regen eine angenehme Stille. Das vom Himmel fallende Wasser schluckt fast sämtliche störende Geräusche wie entfernten Straßen- und Alltagslärm. Man hört nur das Trommeln der Regentropfen auf der Kapuze und den eigenen Atem. Ohne zu esoterisch klingen zu wollen hat es etwas sehr beruhigendes, wenn man die Welt um sich herum so ausblenden kann. Aber nicht nur Geräusche werden gefiltert sondern auch die Luft. Wir haben im Erzgebirge das Glück schon über sehr saubere Luft zu verfügen und trotzdem wird sie während oder nach einem Regenguss merklich klarer. Alle störenden Einflüsse wie Autoabgase und fliegende Pollen werden sozusagen aus der Luft gewaschen. Man hat das Gefühl sich in einer wirklich sauberen und unbelasteten Umwelt zu bewegen.
Genau das scheinen sich auch einige Tiere zu denken, denn mir ist aufgefallen, dass man auf wesentlich mehr von ihnen trifft wenn das Wetter vermeintlich mies ist. Unzählige Male standen Fuchs, Hase oder Reh auf dem Feld oder im Wald und haben sich von meiner Anwesenheit nicht stören lassen. Selbst meinen Hund haben sie nicht als Bedrohung empfunden. Selten kann man Tiere so gut beobachten wie bei Regen.
Aber auch die Landschaft in der sich die Tierwelt und man selbst bewegt, hat seinen Reiz bei schlechtem Wetter. Strecken die man schon häufiger gelaufen ist wirken auf einmal ganz anders und neu. Nebel in den Senken oder tiefhängende Wolken betonen ganz andere Seiten der Natur. So kann man komplett neue Eindrücke der rauen und manchmal unwirklich scheinenden Umgebung sammeln. Diese würde man bei Sonnenschein so niemals sehen.
Nicht zuletzt erlebt man bei Regentouren auch sehr oft einen Wetterwechsel, der besonders schön ist. Wenn sich die Sonne nach mehreren Stunden Bewegung im Regen durch die Wolken kämpft, wird man für alle kleinen Unzulänglichkeiten entschädigt. Die Spiegelungen des Lichts auf nassen Wegen, einzelne von den Blättern rollende Tropfen im Gegenlicht und der ein oder andere Regenbogen faszinieren selbst den erwachsenen und gebildeten Mitteleuropäer noch wie ein kleines Kind. Besonders das Durchleben aller Facetten der Natur innerhalb kürzester Zeit ist immer wieder beeindruckend für mich.
Sollte sich eine dieser Facetten mal besonders bösartig zeigen und zu einem amtlichen Sturm führen, sollte man natürlich zu Hause bleiben. Erwischt es euch aber mal unterwegs habe ich in meinem Beitrag über die diesjährigen Frühjahrsstürme wichtige Tipps über das Verhalten im Wald bei Sturm zusammengefasst.
Um all das erfahren und auch genießen zu können sollte man natürlich die richtige Kleidung am Körper tragen, wenn man sich an einem Regentag auf eine Tour begibt. Über die Dauer hat sich da bei mir ein erstaunlicher Fundus angesammelt, aber eine kleine Grundausstattung reicht normalerweise aus. Mit wasserdichten Schuhen, und einer regenfesten Jacke seid ihr schon gut aufgestellt. Denn nur mit trockenen Füßen und somit ohne störende Ablenkung kann man sich ganz und gar auf die Umgebung konzentrieren. Alternativ zur teuren Anschaffung von wasserdichten Wanderschuhen kann ich aus eigener Erfahrung sagen, für den Anfang lässt sich selbst mit Gummistiefeln eine kleinere Strecke wandern. Ergänzend kann man sich noch eine Regenhose besorgen, die mir jetzt schon längere Zeit treue Dienste leistet. Denn gerade das ablaufende Wasser der Jacke landet sonst genau auf den Oberschenkeln. Und mit nassen und kalten Oberschenkeln verliert man schnell die Motivation zum Wandern. Natürlich kann es jedem frei einen Schirm zu nutzen, der mal eine Regenwanderung machen möchte. Nach meiner Erfahrung schränkt dieser aber erheblich den Blick für die schöne Umwelt ein. Deshalb lasse ich persönlich den Schirm immer zu Hause. Die armen Hersteller von Outdoorbekleidung wollen schließlich auch etwas Geld verdienen. ;)
Ich hoffe ich konnte euch die durchaus vorhandenen schönen Seiten von schlechtem Wetter aufzeigen. Im Idealfall ist eure Enttäuschung über den Regen an eurem nächsten potenziellen Tourentag nicht ganz so groß und ihr startet trotzdem. Dann entdeckt ihr vielleicht auch die etwas andere Seite des Regenwanderns und stimmt mir in dem einen oder anderen Punkt zu. Also Hintern hoch vom Sofa und probiert es aus.
Was meinst du dazu...